Sprechen wir über große Gefühle. Nämlich die Gefühle, die vorbeikommen, wenn wir uns trennen oder getrennt werden. Und das können eine ganze Menge sein. Und sprechen wir darüber, was das mit uns und mit dem anderen macht. Heute schauen wir uns Scham und Schuld einmal näher an.
Scham und Schuld sind oft dabei
In Trennung und Scheidung, ist die Erfahrung, sind Scham und Schuld tragende Gefühle. Scham beispielsweise wegen des Scheiterns und Schuld wegen des eigenen Beitrags am Scheitern der Beziehung oder Ehe. Schuldgefühle können auch das Gefühl der Hilflosigkeit verdecken. Hier lohnt es, einmal hinzuschauen: Oft steckt auch die Angst vor einem Kontrollverlust da drin.
Häufig ist die Sorge da, was mit Kindern passiert, resultierend aus einer wahrgenommenen Verantwortung für die Kinder. Wie schaffen wir einen verantwortungsvollen Umgang mit den Kindern? Wo bleiben die Kinder, bei welchem Elternteil? Was passiert bei der Trennung mit den Kindern? Wie werden die Kinder mit der Situation zurechtkommen? Schaffen wir es, auch weiterhin als Eltern gemeinsam zu funktionieren? All diese Fragen können u.U. Schuldgefühle auslösen.
Die Verantwortung für die Kinder, ihnen beispielsweise ein schönes Zuhause bieten zu wollen, kann ebenfalls Schuld auslösen, wenn dieser Wunsch, dieses Bild eines perfekten Lebens, vorübergehend in die Ferne rückt. Da darfst du dann auch bewusst werden. Vielleicht spürst du aber auch keine Verantwortung an dieser Stelle – das ist völlig in Ordnung und hängt von deiner Übersetzung für das Wort „Verantwortung“ ab, von der Bedeutung, die du ganz persönlich diesem Wort „Verantwortung“ gibst. Viele Menschen haben ein negatives Gefühl bei dem Begriff, viele ein positives. Probiere es aus, indem du die Augen schließt und das erste Bild, das erscheint, anschaust. Das gilt auch für Begriffe wie Ehe, Liebe, Treue, Partnerschaft, usw…
Gefühle beeinflussen dein Verhalten
Die Gefühle beeinflussen dein weiteres Verhalten in der Trennung. Wenn du das Gefühl hast, Schuld an der Trennung zu tragen, tust du eventuell nachher Dinge, die du normalerweise gar nicht tun würdest, z.B. in späteren Verhandlungssituationen im Scheidungsverfahren. Unter Umständen kannst du dann nicht klar denken, weil du von deinem Schuldgefühl gelenkt wirst und du dir Schuld abkaufen lassen möchtest. Du machst Zugeständnisse bei Unterhaltsfragen, bei Vermögensauseinandersetzungen oder anderen Fragen, die du normalerweise nicht machen würdest, wenn dir klar wäre, dass da das Gefühl von Schuld ist.
Du kannst Verantwortung tragen, indem du beispielsweise Unterhalt zahlst. Damit kann man die Verantwortung quantifizieren. Schuld sollte man dabei aber nicht in die Waagschale werfen.
Scham steht ggf. der Trennung im Weg
Oft steht die Scham, dich trennen zu wollen, noch davor, dich zu trennen. Wovor schämst du dich? Vor dem Blick, der Meinung der Gesellschaft? Wo kommt das her? Was sind überhaupt die Anforderungen der Gesellschaft? Sind sie das wirklich? Interessiert das überhaupt jemanden? Wirklich? Oder ist das nur in dir? Glaub mir – den meisten Menschen ist es egal. Und wenn jemand eine Meinung dazu hat, dann sagt es mehr über ihn als über dich. Und trotzdem ist das Gefühl natürlich da, in dir, und darf ernst genommen und angeschaut werden. Wenn es so ist, ist es gut zu erkennen, dass du dich noch nicht trennst, weil da Scham im Weg steht. Zu erkennen, dass dich Gefühle von einer Handlung zurück halten. Wenn du das klar hast, kannst du gucken, warum es so ist und was du benötigst, um den nächsten Schritt zu gehen.
Tradierte Rollenbilder sind noch immer präsent
Es hat ein Wertewandel stattgefunden in der Gesellschaft. Früher waren die Hürden, sich zu trennen oder scheiden zu lassen, ungleich höher als heute. Auch die Rollenbilder früher sind überkommen. Wir sprechen heute über Gender-Gerechtigkeit und wundern uns über Scham und Schuld. Warum? Vielleicht, weil wir an tradierten Rollenbildern festhalten. Oft sind diese ganz tief verankert – Glaubenssätze unserer Großeltern und Urgroßeltern. Sie sind unterbewusst vorhanden und beeinflussen uns noch immer, auch wenn wir heute eine andere Meinung haben. Man tut gut daran, sich die Glaubenssätze bewusst zu machen. Das geht aber nicht alleine. Die Glaubenssätze kommen im Gespräch zu Tage und können dann aufgelöst werden. Die Glaubenssätze werden unbewusst immer wieder mal kundgetan und wenn man wach ist, nimmt man sie auch wahr. Ausgebildeten Coaches fallen diese auf.
So können Aussagen der Großeltern beispielsweise bei den Enkeln zu Programmierungen führen, die langfristig bleiben. Bilder, auch Rollenbilder, von früher bleiben so länger lebendig und führen zum Beispiel zu schlechten Gewissen bei wieder arbeitenden Müttern. Das Wort Rabenmutter gibt es nur in Deutschland.
Wenn Gefühle diffus sind
Wenn dir Worte für deine Gefühle fehlen, gibt es gute Bücher, in denen man Gefühle findet. Auch in meiner Coaching-Praxis nutze ich Listen von Gefühlen, um gut darüber sprechen zu können. Ein Buchtipp zum Thema „Gefühle benennen“ ist das Buch „Der achtsame Weg zum Selbstmitgefühl“ (*) von Christopher Germer.
Zum Nachhören findest du hier die Podcast-Folge:
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