Heute wollen wir über Geld vom Jugendamt für die Kids getrennter Eltern sprechen, sprich über das Thema „Unterhaltsvorschuss“. Und dazu haben wir unseren ersten Gast in den Trennungs-Talk eingeladen:
Ute Bachem von der Stadt Lehrte. Sie ist Profi auf dem Gebiet und erzählt uns alles was wir, und somit auch du, zu diesem Thema wissen müssen. Frau Bachem arbeitet in der Unterhaltsvorschusskasse und berät dort Eltern. Außerdem führt sie die Gerichtsprozesse in diesen Angelegenheiten. Sie war lange Zeit selbständig als Fachanwältin für Familienrecht in eigener Kanzlei. Sie ist Mediatorin.
Was macht die Stadt Lehrte anders als andere Gemeinden?
Das Jugendamt hat auch im Fall von Kindesunterhalt die Aufgabe zu beraten und zu unterstützen. Seit Februar 2023 hat die Stadt Lehrte für diese Aufgabe eine Beratungsstelle für den alleinerziehenden Elternteil eingerichtet. Ziel dieser Beratungsstelle ist die frühzeitige Beratung der Eltern und junger Erwachsener. Sie führt Eltern zusammen mit dem Ziel, den Unterhalt einvernehmlich zu klären.
Aus Datenschutzgründen sprechen wir heute über die fiktive Familie, bestehend aus Silke, Christian und Lena (6 Jahre). Silke und Christian sind seit Jahren verheiratet. Silke zieht aus, zu ihrem neuen Partner, und zahlt keinen Unterhalt für Lena. Christian kann beim Jugendamt folgende Angebote in Anspruch nehmen:
Beratung durch das Jugendamt
Das erste Beratungsgespräch mit einem vorsorglichem Antrag auf Unterhaltsvorschuss (Dies geschieht zur Fristwahrung) ist der erste Schritt. Silke wird dann im Anschluss angeschrieben und aufgeklärt über die Situation und eingeladen zu einem zweiten gemeinsamen Gespräch. Das Jugendamt berechnet dann den Unterhalt und moderiert das Elterngespräch. Im besten Fall gibt es dann eine Einigung und es wird Unterhalt auf Basis der Düsseldorfer Tabelle gezahlt. Das Jugendamt bietet dann die kostenlose Titulierung an. Daraus kann Christian ggf. zwangsweise den Unterhalt für Lena beitreiben lassen, wenn Silke nicht zahlt.
Der Rechtsanspruch auf Beratung ist im Sozialgesetzbuch geregelt. Das bedeutet, jedes Jugendamt muss eine solche Beratung anbieten. Wie diese Aufgabe organisiert wird, obliegt dabei jedoch dem einzelnen Jugendamt. Die Stadt Lehrte hat seit Februar dieses Jahres die Beratungsstelle eingerichtet.
Diese Vorgehensweise hat sich schon bewährt: Die Kindeseltern kommen früh ins Gespräch und habe die Möglichkeit sich zu einigen, was Unterhaltsvorschuss und Beistandschaft nicht mehr notwendig macht. Zudem ist die Erfahrung: wenn das Finanzielle geklärt ist, läuft es auch mit dem Umgang. Wenn man Geld rausnimmt aus dem Spiel, dann verliert das ganze so ein bisschen die Brisanz für alle Beteiligten, weil mit dem Thema Geld auch ganz viel Angst weggeht.
Unterhaltsvorschuss
Wenn Silke nicht mitwirkt, ist die Beratung beendet und es wird dann Unterhaltsvorschuss auf Basis der gesetzlichen Vorgaben gezahlt.
Das Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) regelt den Unterhaltsvorschuss. Dieser ist ein Vorschuss auf die von Silke zu zahlenden Unterhaltsleistungen und dient der Existenzsicherung des Kindes. Er nimmt Silke die Verpflichtung nicht ab.
Zur Antragstellung findet ihr hier alle Infos der Stadt Lehrte. Zuständig ist jedoch das Jugendamt bei Deinem Landkreis oder Deiner Stadt. Ggf. findest Du hier weitere oder auch abweichende Informationen.
Voraussetzungen
Die Voraussetzungen für die Gewährung von Unterhaltsvorschuss sind u.a.:
- Das Kind lebt dauerhaft bei einem Elternteil.
- Der Kindesunterhalt wird vom anderen Elternteil nicht oder nur unvollständig gezahlt.
- Das Kind hat seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland.
- Der Elternteil, bei dem das Kind lebt, ist alleinerziehend, d.h. verwitwet, geschieden oder dauernd getrennt lebend. Wer wieder heiratet, ist nicht mehr alleinerziehend und es besteht kein Anspruch mehr auf Leistungen nach dem UVG.
- Ab dem 12 Lebensjahr, müssen noch besondere Voraussetzungen erfüllt sein. Insbesondere sei erwähnt, dass geprüft wird, ob das Kind einen Mehrbedarf hat bei Bezug von Leistungen vom Jobcenter. Das heißt, der Jobcenter-Bescheid muss vorgelegt werden. Hier arbeiten die Behörden Hand in Hand.
Höhe der Leistungen
Die Höhe der Unterhaltsvorschusszahlung richtet sich auch nach der Düsseldorfer Tabelle und beträgt 100 % des Mindestunterhaltes abzüglich des vollen Kindergeldes. Derzeit sind die Leistungsbeträge:
- Für Kinder im Alter von 0 bis 5 Jahre 230,00 €
- Für Kinder im Alter von 6 bis 11 Jahre 301,00 €
- Für Kinder im Alter von 12-17 Jahre 395,00 €
Das volle Kindergeld ist abzuziehen, da der Unterhaltsvorschuss auch eine Sozialleistung ist. Es wird also als Unterhaltsvorschuss nur das Existenzminimum des Kindes gezahlt.
Für die Antragstellung sind folgende Unterlagen vorzulegen: Geburtsurkunde des Kindes, ggf. Aufenthaltstitel, ggf. Jobcenterbescheid. Ab 15 Jahre eine aktuelle Schulbescheinigung und, wenn das Kind keine allgemeinbildende Schule besucht, ein Nachweis über das Einkommen des Kindes, z.B Ausbildungsvertrag und Entgeltbescheinigung.
Was passiert mit dem nicht zahlenden Elternteil?
Was erwartet Silke in unserem Fall, wenn Lena Unterhaltsvorschuss bekommt? Silke wird angehört und informiert über den Sachverhalt. Silke hat eine gesteigerte Erwerbsobligenheit. Das heißt, sie muss ggf. einen Nebenjob annehmen, um das Existenzminimum des Kindes zu sichern. Silke hat die Darlegungs- und Beweislast für Ihre fehlende Leistungsfähigkeit. Wenn sie nichts tut, wird sie fiktiv als leistungsfähig angesehen, so dass Rückstände auflaufen.
Aufgelaufene Rückstände können ggf. durch eine Ratenzahlungsvereinbarungen gezahlt werden. Es lohnt also in jedem Fall, ein Gespräch mit dem Jugendamt zu führen und gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten.
Die Jugendämter sind teilweise arg überlastet in Deutschland. Trotzdem sollte die Bearbeitung eines solchen Antrags auf UVG-Leistungen schnell bearbeitet werden, da es ja um das Existenzminimum geht.
Pflichten
Als Empfänger der Leistungen hast du diverse Pflichten: Du musst das Jugendamt informieren, wenn sich die Umstände ändern, z.B. eigenes Einkommen von Lena, Wechsel der Betreuung, Zahlung durch Silke, etc.. Auch ein Wechsel in das Wechselmodell ist anzuzeigen, das bedeutet, die wesentliche Mitbetreuung durch den anderen Elternteil. Zu Unrecht erhaltenen Unterhaltsvorschuss muss man zurückzahlen.
Unterhaltsvorschuss wird in allen Bundesländern gezahlt. Es lohnt sich also, bei seinem Jugendamt nachzufragen, wenn man in der Situation ist.
Beistandschaft
Die Beistandschaft wird von Christian als alleinerziehender Elternteil beauftragt mit der Ermittlung und Durchsetzung des Unterhaltsanspruches des minderjährigen Kindes Lena. Der Beistand ist dann Vertreter des Kindes, insbesondere im gerichtlichen Verfahren. Er ist damit wie ein Rechtsanwalt tätig.
Der Beistand ist zuständig für:
- Ermittlung des Unterhaltsanspruch des Kindes
- Durchsetzung des Unterhaltsanspruches
- Titulierung und Vollstreckung
Im Vergleich zum Anwalt ist die die Arbeit des Beistandes kostenlos für das Kind.
Unterhaltsvorschuss und Beistandschaft kann gemeinsam beantragt werden. Der Beistand fordert Auskünfte ein und berechnet den Kindesunterhalt anhand des Einkommens des Elternteils nach der Düsseldorfer Tabelle abzüglich des hälftigen Kindergeldes. Er kümmert sich dann um die Beitreibung des Unterhalts.
Der Unterhaltsvorschuss ist nur eine Ausfallleistung in Höhe des Existenzminimums und das volle Kindergeld wird abgezogen. Der Unterhaltsanspruch von Lena geht in Höhe der Zahlung von 301 € auf die Unterhaltsvorschusskasse (UVK) über. Sollte der Beistand den Unterhalt gegen Silke durchsetzen, so muss an die UVK der Betrag von 301 € als Erstattungsanspruch gezahlt werden. Der darüber liegende Betrag wird an Lena gezahlt.
Hier erkennt man gut Sinn und Zweck des UV: Lena bekommt natürlich nur einmal Unterhalt von Silke. Ihre Existenz wurde als Vorschussleistung von der UVK gesichert, bis die Beiständin den Unterhalt für Lena durchsetzen konnte. Die Rechte von Lena und Christian werden nicht eingeschränkt und die Beistandschaft endet mit dem 18. Geburtstag. Das volljährige Kind kann dann noch in die Beratungsstelle kommen und sich beraten lassen.
Vaterschaftsfeststellungsverfahren über die Beistandschaft
Die Kindesmutter muss, um Unterhaltsvorschuss zu bekommen, mitwirken. Sollte der Kindesvater die Vaterschaft noch nicht anerkannt haben, so muss die Kindesmutter den Namen des potenziellen Vaters mitteilen und die Beistandschaft des Jugendamtes mit der Vaterschaftsfeststellung beauftragen.
Die Kindesmutter ist zudem verpflichtet den Kindesvater bei der Antragstellung mitzuteilen, damit die Unterhaltsvorschusskasse den unterhaltsverpflichteten Vater in Rückgriff nehmen kann.
Sollte Sie keinen Namen des Vaters bekanntgeben können, muss sie den Grund dafür darlegen.
Weitere Infos
Das Grundsätzliche haben wir besprochen. Weitere Infos bekommst Du bei Deinem zuständigen Jugendamt. Das Jugendamt kann ein wichtiger Partner der Eltern und des Kindes sein. Geld muss Eure Elternschaft nicht belasten und Du musst es nicht an Finanzen scheitern lassen. UVG-Leistungen und gemeinsame Gespräche können Konflikte rausnehmen und die Kinder aus dem Schussfeld nehmen.
Unsere Podcastfolge »Umgangsrecht gestalten« findest du hier.
Du findest hier die Informationen und Hintergrunddokumente der Stadt Lehrte. Bitte achte darauf, dass Deine zuständige Stelle andere Infos bereitstellen kann.
Das angesprochene Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes findest Du hier.
Wenn du Fragen oder Anregungen hast, dann schreib uns gern an info@trennungs-talk.de.
Zum Nachhören findest du hier die Podcast-Folge:
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